- JUBILÄUMSJAHR  2006  IN KALDENKIRCHEN -

 

 

 

              

              

Dr. Ina Germes-Dohmen

Pujacken im Panneschopp -

Die Geschichte der westdeutschen Dachziegel- und Röhrenindustrie

 

 

 

 

 

( Fortsetzung der Auszüge des Vortrags vom 18.3.2006)

 Hintergrund

Der Hintergrund für die Einführung der Dachziegelindustrie war v. a. hier in Kaldenkirchen folgender:
Den Dachziegelfabrikanten in der niederländischen Provinz Limburg war durch die Bismarcksche Schutzzollgesetzgebung der Absatz ihrer Fabrikate auf dem deutschen Markt erschwert worden, ihre Fabrikate waren durch den neuen Zollsatz schlicht und einfach zu teuer geworden. Um ihn zu umgehen und um ihr stärkstes Absatzgebiet im rheinisch-westfälischen Industriegebiet nicht zu verlieren, bauten einige niederländischen Unternehmen  auf der deutschen Seite der Grenze in Kaldenkirchen Zweigniederlassungen ihrer Tegelener Werke. Da waren als erste wie schon gesagt die Gebrüder Teeuwen im Jahr 1885, dieses Werk ging vier Jahre später durch Kauf oder Erbschaft an die Gebr. Laumans über. Teeuwen bauten direkt daneben ein neues Werk.   


Andere niederländische Unternehmer stiegen ebenfalls in die für das deutsche Grenzland neue Branche ein wie die Venloer Kaufleute van Boom und van Gasselt, die 1889 am Schwanenhaus eine Fabrik errichteten. Weitere niederländische Ziegelfabrikanten hatten ihre niederländischen Unternehmen etwas weiter entfernt, wie de Ryck aus Steyl oder die schon genannte Echter Dampfdachziegelei, was sie aber nicht hinderte in Kaldenkirchen Ziegelfabriken zu errichten, um sich den Absatz auf dem deutschen Markt zu sichern. Die Echter Fabrik lag in der Gegend des heutigen Herrenpfades. De Ryck kam 1891 am Heidenend dazu. Im gleichen Jahr gründete B.J. Canoy ebenfalls an der Steylerstraße eine Tonröhrenfabrik, an die sich aber nicht viele erinnern werden, denn sie wurde schon 1907 wieder eingestellt.

Die Dampfdachziegelei Echt wurde 1893 von den Kaufleuten Berger und Thywissen aus Venlo übernommen. Diese Übernahme  war kein Einzelfall, denn zwischen 1885 und 1935 meldeten an Schwalm und Nette über 50 Unternehmen in der Tonwarenindustrie ihr Gewerbe an, aber nicht alle hielten lange Zeit durch. Zahlreiche Firmen gingen mehr oder weniger schnell entweder wegen mangelnder Kenntnisse im Ziegeleigewerbe oder im kaufmännischen Bereich in Konkurs. Die Konkursmasse wurde in der Regel aufgekauft und das Werk unter neuem Namen oder als weiterer Betrieb einer bestehenden Firma weitergeführt.
Man kann nach dem Ende der Hauptgründungswelle um 1900 von durchschnittlich 20 bis 25 Betriebsstätten in den fünf Standortgemeinden der Tonwarenindustrie ausgehen. In Kaldenkirchen waren das bis vor dem 1. Weltkrieg die genannten fünf Ziegeleien mit einer Gesamtproduktion von zehn bis elf Millionen Stück. Brüggen war vor 1914 Standort für sechs Unternehmen der Tonwarenindustrie, die in sieben Betriebsstätten  jährlich 26 bis 28 Millionen Dachziegel produzierten, das war ca. ein Drittel der Produktion des Gebietes. (…)
Niederkrüchten war seit Anfang des Jahrhunderts Produktionsstätte für drei Dachziegelwerke, zu denen sich Anfang der zwanziger Jahre noch ein Tonröhrenwerk gesellte. Der kleinste Produktionsstandort war Elmpt. Hier bestanden als Filiale eines Niederkrüchtener Werkes eine nur im Sommer produzierende Dachziegelei und ein großes Dachziegelwerk. Die Niederkrüchtener und Elmpter Werke produzierten insgesamt 18 bis 20 Millionen Ziegel.

In Bracht ließ sich die Dachziegelindustrie erst mit einer zeitlichen Verzögerung von zehn Jahren nieder. Um die Jahrhundertwende wurden in Bracht in kurzer Zeit zehn Dachziegelwerke errichtet. Auch wenn einige von ihnen häufig den Besitzer wechselten, fabrizierten die Brachter Betriebe kurz vor Kriegsausbruch mit 30 Mio. Ziegeln 36 Prozent der Dachziegel in der Region. Die erste Brachter Dachziegelfabrik wurde 1896 von Stephan Laumans und seinen Brüdern gegründet. Das Werk fusionierte um die Jahrhundertwende mit den Familienbetrieben in Kaldenkirchen und Tegelen unter dem Namen Gebr. Laumans. Vor dem Weltkrieg produzierten in Bracht acht Dachziegelfabriken 30 Millionen Dachziegeln im Jahr und hatten damit  den höchsten Anteil, nämlich 35 Prozent an der Produktion in der Region. Das Zentrum der häufig Kaldenkirchen-Brüggener Dachziegelindustrie genannten Industrie lag also in Bracht!

An den Firmengründungen in der Branche waren niederländische Geschäftsleute als Geschäftsführer oder Teilhaber ungefähr zur Hälfte beteiligt, mit Recht lässt sich also behaupten, dass die Dachziegelindustrie auf der deutschen Seite der Grenze den niederländischen Nachbarn auf der anderen Seite viel verdankt. In Kaldenkirchen aber waren alle Betreiber der Dachziegeleien Niederländern.

Bedeutung der Dachziegel- und Röhrenindustrie >>>

    

 

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